Was ist Sandspieltherapie?
Die Sandspieltherapie wurde von Dora M. Kalff (1904-1990) auf der Grundlage der Erkenntnisse und der analytischen Psychologie von C. G. Jung, aus dem „Weltspiel“ von Margaret Lowenfeld und den spirituellen Traditionen des Buddhismus entwickelt.
Es handelt sich dabei um ein tiefenpsychologisches Verfahren, das diagnostisch und therapeutisch als Instrument in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ebenso wie bei Erwachsenen jeden Alters zur Anwendung kommt, um die Selbstheilungskräfte und den Individuationsprozess der Seele anzuregen und zur Entfaltung zu bringen. Die Sandspieltherapie geht davon aus, dass das Selbst von Geburt an in der Lage ist, den psychischen Entwicklungsprozess sinnvoll zu dirigieren.
Bei dieser Therapieform gestalten die Patienten dreidimensionale Szenen in einem Sandkasten in Tischhöhe, der in seiner Ausdehnung etwa dem Blickfeld eines Menschen entspricht. Hierin werde innere Bilder mit Sand, verschiedenen Materialien und Figuren gestaltet. Die blaue Grundfläche des Kastens erleichtert die Darstellung von Wasser, z. B. als Flüsse und Meere, während das standardisierte Kastenmaß (72 x 49 x 7 cm) als ordnender und schützender Faktor wirksam ist.
Sand ist reine Materie der Natur und damit Symbol des Ewigen. Als Urelement der Erde ist er in Verbindung mit Wasser ein ideales Bau- und Formmaterial und spielend, ohne jegliches Können, zu gestalten.
Dies ist bedeutungsvoll, da innere Bilder mit der Außenwelt korrespondieren und deshalb naturgetreu mit Höhen und Tiefen, z. B. Höhlen, Bergen, Tälern usw., dargestellt werden können. Das ganz konkrete In-die-Hand-nehmen und Bearbeiten des Sandes als formbarer Urmaterie, bewirkt eine direkte Kontaktnahme mit den inneren Welten.
Zum wahlweise feuchten oder trockenen Sand wird eine Vielfalt und Vielzahl von offen in Regalen stehenden kleinen Figuren aus allen Bereichen des Lebens (Maßstab +/- 1:25) und gestalterisch geeigneten Materialien angeboten. Die spontan und ohne jegliche thematische Vorgabe entstehenden symbolischen Gestaltungen im Sandfeld werden als Ausdruck bewusster und unbewusster seelischer Bilder, Gefühle und Konflikte verstanden, die oft tiefen Schichten der menschlichen Psyche entstammen. Das Gestalten und Erleben dieser Sandbilder ermöglicht die Lösung von inneren Spannungen und setzt Energien für einen ganzheitlichen, Körper, Geist und Seele umfassenden Heilungs- und Entwicklungsprozess frei. Durch die Haltung des Therapeuten und das Setting des Sandspiels konstelliert sich der ‚freie und geschützte Raum‘, der Heilung fördernde Regression selbst auf frühe Entwicklungsphasen ermöglicht.
Im Sand werden innere Bilder mit konkreten Mitteln gestaltet, so dass wir sagen können, dass psychische Inhalte sichtbaren und greifbaren Ausdruck finden. Somit wird ein unmittelbarer Bezug zwischen Innen und Außen hergestellt, wodurch gerade auch präverbale Schichten angesprochen werden. Es wird ein Prozess initiiert, in welchem die unbewusste und somit verborgene Ganzheit der Psyche die Führung im Heilungsgeschehen übernimmt. Da sich das Unbewusste kompensatorisch zum Bewusstsein verhält, erwachen vom Bewusstsein abgelehnte oder zu wenig wahrgenommene Inhalte unter den Händen des Sandspielers zu neuem Leben. Dies geschieht ohne willentlich herbeigeführt zu werden und bleibt deshalb meist unbemerkt. Die empfundene und in der gemeinsamen Betrachtung mit dem Therapeuten bestätigte Identifikation mit dem eigenen Werk verbessert die Akzeptanz und den Kontakt zwischen Bewusstsein und Unbewusstem, wodurch die Psyche wesentliche Bereicherung und Entlastung erfährt.
Es gehört zu den vornehmlichsten Aufgaben des Therapeuten, diesen Prozess verstehend und stützend zu begleiten, sowie die dargestellten psychischen Inhalte im Schutze des Unbewussten zu belassen, bis die Psyche genügend erstarkt ist, sich damit gewinnbringend auf der Bewusstseinsebene verbal zu befassen. Das erfordert vom Therapeuten weitgehenden Verzicht auf aufdeckende Interpretation. Der psychische Heilungsprozess ist an den in der Regel fotografisch dokumentierten Sandbildern ablesbar.
Sandspieltherapie ist international verbreitet und in der „International Society for Sandplay Therapy“ (ISST) organisiert. Die „Deutsche Gesellschaft für Sandspieltherapie“ (DGST) stützt sich auf die Weiterbildungsrichtlinien der ISST.
(Beitrag von Sigrid Löwen)
siehe auch: Fachbücher